Gunkl: “Das Dasein muss genügen”

Mit seinem Soloprogramm “So Sachen – ein Stapel Anmerkungen”, das Anfang September 2014 Premiere hatte, lieferte Günther Paal alias Gunkl ein fulminantes Lehrstück über die Jasager ab. Im Interview erklärt er die Gründe für seine recht kompromisslose Art, Kabarett zu machen.

Sie haben einmal Werbung für Egger Bier gemacht – in einem Spot von Niki List. Und Sie wurden am 23. März 1962 in Wien geboren. Ansonsten bringt man nicht viel über Sie in Erfahrung. Warum eigentlich?

Ich verlange von einem Kunstwerk, dass ich es verstehen können muss, ohne die Biografie des Künstlers zu kennen. Mein Leben ist daher wurscht. Meine biografischen Daten sind auch nicht so aufregend.

Inwiefern deckt sich Günther Paal mit Gunkl?

Das ist kongruent. Mein Bruder ist zwei Jahre älter. Er konnte als Kind „Günther“ noch nicht unfallfrei aussprechen. Und deshalb ist daraus „Gunki“ geworden. Später arbeitete ich im Kleinen Café. Und dort gab es einen anderen Günther. Damit es nicht zwei Günther gibt – das Kleine Café ist ja nicht die Werkskantine von Siemens – habe ich auf den „Gunki“ zurückgegriffen und den Namen dediminuiert.

Sie kellnerten danach auch im Café Stein und im Roten Engel. Wie wurden Sie Kabarettist?

Eigentlich hab ich Reproduktionsfotografie gelernt. Das kann heute jeder 80-Euro-Scanner. Dann hab ich ein Studium abgebrochen, Publizistik und Soziologie, und als Kellner gearbeitet. Das hab ich zwölf Jahre lang gemacht. Und nebenbei spielte ich Saxophon beim Wiener Wunder. Und irgendwann schrieb der Alfred Dorfer das Soloprogramm „Alles Gute“, für das er drei Musiker brauchte. Er fragte uns, ob wir nicht mitmachen wollen. Wir machten mit. Ich dachte mir dann: „Das kann ich auch.“ Dass es aber wirklich dazu kam, war zufällig. Der Chef der Kulisse fragte mich, ob es stimmt, dass ich ein Soloprogramm geschrieben habe. Ich sagte ihm: „Bald hab ich es.“ Und ich hab es geschrieben.

Seither hat jedes Ihrer Programme in der Kulisse Premiere. Wie lange brauchen Sie, um ein Programm zu schreiben?

Mittlerweile schon drei, vier Monate. Weil ich schon den Anspruch hab, Aussagen über größere Themen abzugeben. Und die großen Themen werden natürlich, weil ich mich nicht wiederholen will, immer rarer. Der Wald des Noch-zu-Sagenden wird mit jedem Programm lichter.

Sie verzichten auf Vorpremieren. Warum?

Ich denk mir: Eine Premiere soll eine Premiere sein. Dass man etwas wirklich das erste Mal vor Publikum spielt. Wenn viele Personen beteiligt sind, ist das etwas anderes. Aber bei mir, der sich allein auf die Bühne stellt und eineinhalb Stunden lang redet? Worum es an diesem Abend geht, ist in meinem Kopf. Und von dort muss der Text jederzeit abrufbar sein. Dafür brauch ich keine Vorpremiere. Nicht einmal Robert, mein Techniker, kennt den Text: Er hört ihn, wie alle anderen, das erste Mal bei der Premiere. Er kennt nur ein Stichwort. Und dann weiß er, wann er das Licht abdrehen muss.

Viele Ihrer Kollegen machen Vorpremieren, um abzutesten, ob die Witze auch ankommen.

Das ist für mich kein Kriterium. Weil ich sage, was ich sagen will – und nicht das, was ich den Menschen unterstelle, das sie hören wollen. Ich möchte auf einer Bühne nur das machen, was ich als Publikum sehen wollen würde. Auch wenn es Kleinkunst ist, gibt es eine gewisse Verpflichtung: Dass man das sagt, was man glaubt, wovon man überzeugt ist. Das ist der Vertrag, auf den der Zuschauer Anspruch hat: Wer etwas zu sagen hat, darf auf eine Kleinkunstbühne. Wer nichts zu sagen hat, muss auf eine Theaterbühne. Denn dort gibt es genügend kluge Texte, die halt jemand anderer geschrieben hat.

Sie machen – außer der Pause – keine Zugeständnisse?

Ganz so ist es natürlich nicht. Wirklich nie Zugeständnisse mache ich bei meiner Reihe „Tip des Tages“ auf meiner Homepage www.gunkl.at: Ich genieße es, das Reindl auszukratzen, bis das Email spritzt. Aber auf der Bühne gibt es die Verpflichtung, dass die Leute dem, was ich sage, folgen können müssen. Nur Drauflosdreschen: Das wird nicht gehen. Wo es geboten ist, versuche ich die Gedanken mit Beispielen aufzulockern. Nicht um Zeit zu schinden, sondern um die Sache anschaulich zu machen. Der reine Gedanke würde die Wuchtel zwar nicht brauchen, aber weil es Kabarett ist, bringt man etwas Lustiges rein, das hilft, den Gedanken zu verstehen.

Aber Sie reden ununterbrochen, fordern keinen Zwischenapplaus ein.

Das ist ganz wichtig: Der, der auf der Bühne steht, hat das Heft in der Hand zu haben. Er darf nicht davon abhängig sein, was das Publikum macht. Ich lehne es daher ab, dass man auf der Bühne ein Glas Wasser stehen hat und dass man an überdeutlich inszenierten Stellen einen Schluck nimmt, um einer Wuchtel, die abgestürzt ist, post mortem eine Reanimation zu Teil werden zu lassen, also um dem Publikum ganz zufällig eine Pause einzuräumen: „Oh, ja, jetzt können wir, jetzt müssen wir applaudieren, denn das war jetzt ein ganz toller Gedanke.“ Ich denke mir: Wenn ein Gedanke nicht so toll ist, dass man ihn als solchen erkennt, dann soll man nicht nachstierln. Da bin ich schon sehr streng.

Das Problem ist nur: Wenn man lachen muss, hat man Schwierigkeiten, Ihren nächsten Satz zu verstehen.

Das kann passieren, weil ich eben nicht abhängig sein will. Das weiß ich. Ich bin sehr gefährdet, dass ich über die Reaktionen des Publikums drübergeh. Ich sollte ein bisschen Luft lassen.

Sie stehen wie angewurzelt in der Mitte der Bühne, rudern nur mit den Armen. Den Raum zu erobern, kommt Ihnen nicht in den Sinn?

Oh, doch: Ich erobere die Bühne ideell. Indem ich mich in die Mitte stelle – und den gesamten Raum für mich beanspruche. Die schiere Existenz genügt, dass der Bereich bis zum letzten Winkel mir gehört. Ich beanspruche ihn durchs Dasein – und nicht durchs Draufherumsteigen. Das Dasein muss genügen. Das ist vom Anspruch her natürlich ein bissl größenwahnsinnig und goschert.

Verzichten Sie daher auch auf einen schwarzen Tisch und einen schwarzen Sessel?

Ja. Meine Erfahrung ist: In der Regel wird eine solche Requisitenanforderung von den Veranstaltern nicht erfüllt. Unglaublich, was da alles als schwarz gilt! Und es gibt Tische, die sind nicht klassisch neutral: Sie transportieren die Sommerfrische oder sonstwas mit. Aus dieser Not habe ich eine Tugend gemacht: Ich kann meine Programme auf der Größe eines Handtüchls unter einer 100er-Birne spielen.

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